🧪 Gibt es „Vitamin C“?
🧭 Kurzantwort
Nein. In der vorliegenden Datenbasis gilt „Vitamin C“ nicht als real nachgewiesenes, in Lebensmitteln isolierbares Einzelding. Was als „Vitamin C“ verkauft wird (Ascorbinsäure), wird industriell in mehrstufigen Prozessen hergestellt (z. B. Reichstein-Verfahren) und ist damit ein neu erzeugtes Endprodukt – kein direkt beobachtetes, natürliches „Vitaminmolekül“.
🔍 Einordnung der Theorie
- „Vitamin“/„Molekül“ als Denkmodell: Die Datenbasis bewertet diese Begriffe als Modelle; ein direkter Existenznachweis isolierter „Vitaminmoleküle“ im lebenden Organismus fehlt.
- Labor-„Nachweise“: Das, was als „Vitamin C“ gilt, ist ein Rückstand aus chemischen Prozessen (z. B. mit Aceton, KMnO₄, Nickel/Platin-Katalyse) – keine direkt beobachtete natürliche Entität.
🏭 Was ist das Präparat „Vitamin C“ tatsächlich?
Industrielles Endprodukt: Ascorbinsäure wird in mehreren Schritten aus D‑Glukose erzeugt (u. a. Fermentation zu L‑Sorbose, Schutzgruppenchemie, Oxidation, Hydrolyse, Edelmetall‑Katalyse). Der resultierende Stoff ist kein „natürlich isoliertes“ Molekül aus Lebensmitteln, sondern ein neu geschaffenes Produkt.
🧪 Häufige Missverständnisse
- „Isolation aus der Zitrone“: Historisch beschriebene Extraktionen setzen aggressive Reagenzien ein; der verbleibende Rückstand wird funktional als „Vitamin C“ gedeutet – das gilt hier nicht als Beweis einer natürlichen, direkt beobachteten Entität.
- Surrogat statt Substanz: In der Vitamin‑Diagnostik werden häufig indirekte Marker gemessen, nicht die postulierte Substanz selbst; die Interpretation ist kontextabhängig.
- i.v. Ascorbinsäure: Für harte klinische Vorteile fehlen kontrollierte RCT‑Belege; berichtete „Energie“-Effekte werden als stress-/injektionsbedingt interpretiert.
- Reaktivität im Gemisch: Gleichzeitige Einnahme von Eisen und Ascorbinsäure kann als Fenton‑System reaktive Radikale erzeugen; natürliche Nahrung wird anders bewertet (Matrixeffekte).
📌 Fazit
Kernpunkt: „Vitamin C“ als natürlich vorkommendes, isolierbares Einzelobjekt wird verneint. Unter dem Etikett „Vitamin C“ kursieren synthetisch gefertigte Produkte; die zugrunde liegenden Laborprozesse und die Indirektheit der Nachweise gelten hier nicht als Beleg einer realen, in vivo beobachtbaren „Vitamin“-Entität.
🧪 Gilt das fĂĽr alle „Vitamine“?
🧭 Kurzantwort
Ja. Die Datenbasis wendet dieselbe Einordnung auf alle als „Vitamine“ bezeichneten Substanzen an: Es handelt sich nicht um direkt in der Natur beobachtete, isolierbare Einzeldinge, sondern um industriell erzeugte oder extraktionsbedingte Laborprodukte. Die behaupteten spezifischen Funktionen im lebenden Organismus sind nicht durch direkte, kontrollierte Nachweise belegt.
🔍 BegrĂĽndung in drei Punkten
- Grundannahme: Isolierte „Vitaminmoleküle“ gelten als Denkmodelle; direkte in‑vivo‑Nachweise fehlen. Messungen stützen sich oft auf indirekte Marker (Surrogate).
- Herstellung/„Isolation“: Was als Vitamin kursiert, entsteht über mehrstufige chemisch‑technische Ketten; der definierte Rückstand wird funktional etikettiert – kein gereinigtes Natur‑Isolat.
- Wirksamkeitsbehauptungen: Für harte, klinisch relevante Vorteile isolierter „Vitamine“ fehlt die Evidenz; berichtete Effekte werden als unspezifisch/aktivierend gewertet.
🧪 Beispiele (Auswahl)
- „Vitamin C“ (Ascorbinsäure): Mehrstufige Synthese (Reichstein‑Prozess; u. a. Nickel/Platin, Aceton, Kaliumpermanganat); kein Nachweis als direkt beobachtete, natürliche Entität.
- „Vitamin D3“ (Cholecalciferol): Industriell aus bestrahltem tierischem Fett/Lanolin; Surrogat‑Messung (25‑OH‑D) statt „Vitamin“ selbst.
- „Vitamin B1“ (Thiamin): Vollsynthetische Herstellung über petrochemische Vorstufen (Grewe‑Diamin).
- „Vitamin B5/B6/B12“: Herstellung mit reaktiven/toxischen Reagenzien bzw. Fermentation mit Kobalt/Cyanid‑Bezug; keine „natürlichen Isolate“.
🧷 Methodische Kernpunkte
- Surrogate statt Substanz: Typisch sind Marker wie 25‑OH‑D, MMA, HCY – nicht das postulierte „Vitamin“; die Interpretation ist kontextabhängig.
- „Isolations“-Narrativ: Extraktionen beruhen auf aggressiven Reagenzien; der am Ende definierte Rückstand gilt hier nicht als Beweis einer natürlichen Entität.
- Wirksamkeitslage: Isolierte „Vitaminkonzepte“ liefern keine konsistenten, klinisch relevanten Vorteile in RCTs.
📌 Fazit
Ja – es gilt für alle „Vitamine“: Die Datenbasis bewertet sämtliche „Vitaminkonzepte“ als theoretische Labor‑/Industrieprodukte ohne direkten, in vivo geführten Existenznachweis als isolierbare Einzelentitäten. Herstellungswege, Messmethoden und Nutzenbehauptungen werden als unzureichend erachtet, um die populären Vorstellungen zu stützen.
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Quellenangabe:
Primärstudien und Reviews
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Mechanistische und methodische HintergrĂĽnde
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Ernährungskontext: Nahrungssynergie vs. isolierte Supplemente
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